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"Was, Du bist Ghostwriter!?"

"Ähm. Ja. Bin ich", sage ich dann leise. "Wie bist Du denn darauf gekommen?" Die Idee entstand nach einem Interview, das ich - damals noch Journalistin - mit einem Sachbuch-Autor führte. Der fragte mich, ob ich Buchprojekte für ihn übernehmen könnte. Nach meinem spontanen "Ja!" und den ersten gelungenen Projekten sprach sich meine Tätigkeit als Text-Ninja bis zu einer Lektorin des Frankfurter Campus Verlags herum. 2002 übernahm ich eine Ruck-zuck-Rettungsaktion für das Buch eines damals noch nicht bekannten, heute aber sehr erfolgreichen Autors. Nach der Manuskriptrettung gab mir besagte Lektorin den Status der „Geheimwaffe“. Der Jobtitel gefiel mir.

"Macht Dir das gar nichts aus, dass Du nicht als Autorin auf dem Buchcover stehst?" Nein, das macht mir nichts aus. Was mich antreibt, ist die Suche nach neuen Gedanken, Argumenten, Fakten und Zusammenhängen für Sachbücher. Ich liebe es, Struktur in Gedankengebäude zu bringen, Geschichten zu erzählen, Sachverhalte verständlich zu machen und Manuskripte in Zusammenarbeit mit Lektoren, Typografen und Illustratoren zu gestalten. Inhalt und Form - darum geht es bei jedem Projekt. Wenn das Zusammenspiel gelingt, bin ich froh. Und wenn Autor und Verlag damit auch froh sind, bin ich glücklich.

"Ist das nicht illegal?" Nein, natürlich nicht. Präsidenten und Vorstände lassen sich Reden schreiben, Experten lassen sich Sachbücher schreiben. Das ist eine ganz normale und sinnvolle Arbeitsteilung.

"Und was sind Deine Themen?" Meine Themen sind Wirtschaft und Gesundheit. Meine Vorliebe besteht darin, ökonomische oder medizinische Fragestellungen mit Erkenntnissen aus Soziologie und Geschichte, aus Philosophie und Psychologie aufzumischen und so neue Sichtweisen zu entwickeln. Damit das gelingt, führe ich mit den Autoren lange Gespräche und arbeite für jedes Buchprojekt einen hohen Stapel Bücher durch, außerdem Studien, Fachzeitschriften und alles, was in der Tagespresse (vor allem SZ, NZZ) aktuell zum Thema verhandelt wird. Alle Themen, so verschieden sie sein mögen, eint die sehr einfache Frage nach dem "guten Leben".

"Wie hast Du das überhaupt gelernt?" Ich habe schon als Schülerin sehr, sehr, sehr viel gelesen und geschrieben. So fing es wohl an. Weil mich Gestaltung so fasziniert hat, bin ich erst einmal Fotografin geworden. Doch nach viereinhalb Jahren mit Kameras, Scheinwerfern und Kabelsalat bin ich doch wieder beim Schreiben gelandet.

Ich habe in Frankfurt am Main Theater-, Film-, und Medienwissenschaft, Soziologie und Kunstgeschichte studiert und bei Journalistenschulen etliche Fortbildungen besucht. Zwei Jahre lang habe ich bei der F.A.Z. das Hochschulmagazin redigiert, eine Weile bin ich parallel als freiberufliche Journalistin und Ghostwriter unterwegs gewesen und heute arbeite ich hauptsächlich als Ghostwriter, manchmal auch als Autorin oder Co-Autorin von Sachbüchern.

"Kommen die Buchtitel auch von Dir?" Tatsächlich kommen etliche Titel von mir - sie entstehen während der Konzeption oder der Produktion der Bücher. Auf die Buchgestaltung hatte und habe ich oft nur wenig Einfluss und war mehr als ein Mal nicht wirklich überzeugt vom gedruckten Ergebnis - die Typografie, der Satz und die Illustration der Bücher hätten doch so viel besser sein können! Fand ich, konnte es aber nicht begründen.

Von 2013 bis 2015 habe ich deshalb bei der altehrwürdigen "Typografischen Gesellschaft München" die Fortbildung "Typografie intensiv" absolviert. Seitdem kann ich meine Konzepte besser begründen und es ist mir ein noch größeres Anliegen, gute und schöne Bücher zu machen.

"Gestaltest Du die Bücher auch selbst?" Ich denke die Gestaltung in meinen Konzepten immer mit und übernehme auf Wunsch auch die komplette Bildredaktion - ich gestalte die Bücher aber nicht selbst, sondern in Kooperation mit kreativen Köpfen, die sich damit auskennen. Dass sich ein Ghostwriter überhaupt für gute Buchgestaltung stark macht, fanden die Verlage anfangs seltsam. Gute Sachbuch-Gestaltung hat sich aber zu einem wichtigen USP entwickelt und heute lassen sich mehr und mehr Verlage auf neue Ideen ein. Ich freue mich sehr, dass ich schon einige Buchprojekte in enger Kooperation mit Gestalterinnen realisieren durfte und ich sehe, dass es hier noch viele Möglichkeiten gibt!

Struktur und Inhalt sind ein guter Anfang, beide müssen aber zum Ausdruck kommen dürfen, damit ein Buch richtig gut wird. Und deshalb trifft die Antwort "Ghostwriter" auch nur die halbe Sache. Wenn es so etwas gäbe wie "Ghostdesigner", dann wäre ich das wohl auch.